
Zitat von
Jamy
Und das wünsche ich mir auch hier für dieses Forum - Bibeltreue.
Also ich finde allein schon den Begriff "Bibeltreue" sehr problematisch, weil er seinen Ausgang ja in evangelikalen Kreisen hatte und somit impliziert wird, dass von deren Interpretation der Bibel abweichende Vorstellungen, dann nicht mehr treu seien. Eine allegorische Auslegung der Bibel wird dann ja auch nicht selten abgelehnt und nur die im weitesten Sinne wortwörtliche Verständnisweise wird gelten gelassen. Solch eine Verständnisweise macht aber meiner Meinung nach die Bibel ärmer als sie ist und öffnet, wie die Geschichte lehrt, zudem auch noch dem Fanatismus Tür und Tor.
Vor allem habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass so genannte bibeltreue Gemeinschaften nicht selten ihren Schwerpunkt sehr deutlich im Neuen Testament haben und dabei den Gesamtkontext etwas aus den Augen zu verlieren drohen. Meist wird dann noch von den Evangelien das Johannesevangelium (das am wenigsten ursprünglich sein dürfte) und die Briefe des Paulus überbetont, was nicht selten zur Folge hat, dass der Blick doch reichlich "scheuklappenmäßig" auf die Themen des Alltags gelenkt wird. Am Ende geht es dann irgendwie immer fast ausschließlich nur darum, dass "Leben im bösen Fleisch" zugunsten eines so genannten "Leben im Geiste" zu bekämpfen. Daraus resultiert dann nicht selten eine überaus strenge und gesetzliche Haltung und von aufrichtiger Demut und Nächstenliebe ist irgendwie nicht mehr ganz so viel zu spüren.
Wer sich gut in der Bibel auskennt läuft ganz einfach Gefahr, dass er anfängt in Schubladen zu denken und zu jeder Verhaltensweise gleich den (un)passenden Bibelvers parat zu haben, ohne sich intensiver und redlicher mit der Gesamtsituation auseinandergesetzt zu haben. Man wird dann einfach viel zu schnell mit den Dingen fertig und glaubt leichtfertig und sicher auch ein bisschen selbstgerecht, alles über ein bestimmtes Thema erkannt zu haben, wenn sich denn ein scheinbar gut passender Bibelvers finden lässt. Dadurch wird die Bibel dann zu einer Art Gebrauchsanweisung und das finde ich persönlich ganz schlimm und traurig, weil sie dann auch sehr häufig zu einem Totschlagargument missbraucht wird. Homosexuelle Gläubige können davon z.B. sicher ein Lied singen, dabei kennt die Bibel gar keine Homosexualität als Partnerschaft und Liebesbeziehung. Aber allein die Aussage, das es ein Gräuel sei, wenn ein Mann beim Manne liegt, reicht dann bibeltreuen Menschen häufig schon aus , um solcherlei Veranlagung rundheraus zu verurteilen. Sehr schade, schlimm, überflüssig und auch falsch, wie ich finde.
LG
Provisorium
Gott ist ein Gott der Gegenwart. Wie er dich findet, so nimmt und empfängt er dich, nicht als das, was du gewesen, sondern als das, was du jetzt bist. (Meister Eckhart)
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